Drucken

Beratungs-Team der Selsinger Heinrich-Behnken-Oberschule hilft jungen Leuten in Corona-Zeiten, die Lage zu verarbeiten

Homeschooling und Wechselunterricht, kaum Freunde treffen, Angst vor Ansteckung, fast ständig zuhause sein: Die Folgen der Corona-Pandemie belasten Schüler. Das spüren Beratungslehrerin Theresa Vahle, Schulsozialarbeiter Wolfgang Wietfeldt-Sittinger und der Didaktische Leiter Timo Brokmann an der Selsinger Heinrich-Behnken-Oberschule. Daher geht es nach den Ferien nicht zuerst darum, verpassten Stoff aufzuholen.

Theresa Vahle nennt ein Problem von Schülern: Langeweile. Zuhause ist nichts los, sie haben wenig Kontakt zu anderen Altersgenossen. „Auch Einsamkeit wird häufig angesprochen“, sagt die Pädagogin. „Es gab wirklich Schüler, die fast gar keinen Kontakt zu Gleichaltrigen hatten.“

Niedergeschlagenheit, gerade in Kombination mit einsetzender Pubertät, und depressive Verstimmungen sind ebenso wie fehlende Motivation festzustellen. Bezeichnend für diese Situation: „Ein Schüler hat mir erzählt: Ich habe mich den ganzen Tag angestrengt und abends alles weggeschickt. Und am nächsten Tag kamen schon wieder neue Aufgaben...“

Da sei Frust zu erkennen. „Viele Schüler haben auch erzählt, dass es mehr Streit zuhause gab.“ Sie leiden unter „Budenkoller“.

Wolfgang Wietfeldt-Sittinger nennt ähnliche Stichworte: „Freude, Angst, Ungewissheit und Lethargie.“ Freude, dass Schüler in der Notbetreuung der Bildungsstätte sein konnten. Ängste, ob man sich ansteckt. Ungewissheit etwa für Schüler aus dem 10. Jahrgang, ob sie einen Ausbildungsplatz finden. „Wie geht es mit mir weiter?“, fragten sich viele. Einige Schüler seien lethargisch: „Manchen fehlt einfach der geregelte Tagesablauf.“ Diese Situation belastet Lehrkräfte, teilweise doppelt gefordert, und Eltern, weil sie zum Teil überfordert sind mit dem Homeschooling.

„Corona zeigt, was wirklich wichtig ist“, stellt Timo Brokmann fest: „Es geht um Beziehungsarbeit, das Spüren der Gemeinschaft. Dadurch ist man lebendig und kann leichter kommunizieren.“ Wie hilft das Beratungs-Team den Schülern? „Gespräche sind das A und O“, betont Theresa Vahle, eben die Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen. „Und nicht gleich im Unterricht durchzustarten, um alles wieder aufzuarbeiten, sondern genug Raum und Zeit dafür zu geben, dass verarbeitet werden kann, was in den letzten Wochen passiert ist.“

Gespräche initiieren

Die Beteiligten wissen: „Es gibt Schüler, die nicht so gerne in der Klassengemeinschaft reden, aber sobald man das auflöst, einen Spaziergang macht oder in Spielform gießt, dann kommt man ins Gespräch.“ Theresa Vahle erläutert: „Wir haben uns methodisch Gedanken gemacht, welche Gesprächsmöglichkeiten wir initiieren können. Der Redebedarf ist riesig.“ Da sei vor allem das Zuhören gefragt.

Selbst sonst eher ruhige Schüler erzählen plötzlich mehr, haben Nachholbedarf. Die Kunst ist, sie überhaupt zum Reden zu bekommen. Wolfgang Wietfeldt-Sittinger erklärt: „Unser Motto war, die Schüler abzuholen und nicht das aufzuholen, was sie verpasst haben. Denn das Jahr werden wir nie aufholen.“

Timo Brokmann ergänzt: „Dafür haben die Schüler viele andere Dinge gelernt, die sie sonst nicht gelernt hätten. Wertvolle Kompetenzen: Sich zuhause selber organisieren müssen, die digitale Technik beherrschen und so einrichten, dass man sie als Arbeitsmittel nutzen kann.“ Das könnten sonst erst Menschen, die ins Berufsleben einsteigen.

Nach den Osterferien sollen die Religionsstunden für Soziales, Spiele und Spaziergänge genutzt werde, „um Gemeinschaft zu fördern, soziales Miteinander wieder zu üben. Es geht nur um das Mensch sein“, so Brokmann.

Tipps für Kinder und Eltern? „Wenn es zuhause eskaliert, sollte man sich Hilfe holen“, appelliert Wietfeldt-Sittinger. „Und wenn das Wetter gut ist: Geht raus in die Natur, bewegt euch, baut Stress ab.“ Schüler brauchen einen geregelten Tagesablauf, auch zuhause, sind sich alle einig.

Timo Brokmann weiß, dass dabei Ausdauer und Geduld gefragt sind: „Es ist keine einfache Zeit, aber gemeinsam schafft man es.“